Der Klang eines grauen Herbstmorgens

Sängerin Mechthild Hettich zeigt ihre Stimmungen im Gesang

( Auszug aus einem Presseartikel im „Weser-Kurier Bremen)

Von  Annekathrin Gut

Wie klingt ein grauer Herbstmorgen? Mechthild Hettich schaut in ihren Garten und singt leise ein paar Töne. Dieser Vormittag fühle sich an wie die letzten, gelben Blätter der Quitte vor dem dunklen Himmel. „Stimme und Stimmung liegen eng beieinander“, erklärt die Sängerin und Ge-sangslehrerin.

Mechthild Hettich unterrichtet nicht nur professionelle Künstler, sondern auch Anfänger und steht regelmäßig mit Ensemble- und Soloproduktionen auf der Bühne. Sowohl in ihrem Unterricht als auch in ihren Kompositionen geht es nicht nur um die schöne Gesangsstimme.

Frei nach Friedrich Nietzsches Ausspruch „Lerne Singen, oh Seele“ soll nach Meinung von Mechthild Hettich der Gesang vor allem Empfindungen und Stimmungen ausdrücken: „Nicht jeder Ton muss schön sein. Ich kann auch das Gefühl ausdrücken, außer mir zu sein.“

Die Technik lernte die gebürtige Herforderin von 1988 bis 1998  beim Körper- und Stimmtheater „Centre Artistique Roy Hart“ in Frankreich. Übungen zur Stimmbildung, An- und Entspannung gehören dazu. Vor allem aber viel Intuition: Der Kopf muss ausgeschaltet bleiben, damit Bilder entstehen können.

Die bekommt Mechthild Hettich oft in der Natur: Der Rhythmus der Bäume beim Spaziergang im Wald oder das Klatschen der Wellen an den Strand werden bei ihr zu musikalischen Motiven. „Ich sehe eine Spiegelung in einer Pfütze, plötzlich fällt nur dazu eine Melodie ein.“

Auch ihren Schülern versucht sie diese Technik zu vermitteln: „Bei manchen habe ich das Gefühl, eine ganz fruchtige Stunde gehabt zu haben. Man spürt richtig den Geschmack auf der Zunge. Bei anderen wiederum ist es sehr berührend, wenn sie ihren eigenen Namen singen.“

Bei ihr darf der Schüler seine Wut herausschreien oder in leisen Tönen seine weiche, zärtliche Seite finden. „Dazu gehört auch, mal zehn Runden im Raum zu rennen und

dann zu gucken, wie sich das anhört, wenn man außer Atem ist.“

Jeder Mensch kann singen, davon ist Mechthild Hettich überzeugt. Deshalb bietet sie auch Kurse für Menschen an, die bislang glaubten, nur brummen zu können:

„Es ist ein Stück weit Übung, nicht nur Talent. Die Hürde ist, sich zu trauen. Das ‚Ich kann das nicht‘ loslassen.“

Mechthild Hettich selber musizierte schon in frühester Jugend. Sie und ihre Schwester spielten Klavier und sangen im Chor. „Wir singen immer noch zweistimmig Weihnachtslieder“, erzählt Hettich. Ein Musikstudium konnte sich die Künstlerin trotzdem nicht vorstellen: „Das war mir zu perfekt.“

Mechthild Hettichs Solo- Konzertprogramm heißt „ Lieder ohne Worte“: Alle Stücke sind in einer Phantasiesprache gesungen. Die Stimmung reicht von albern-lustig bis abgrundtief traurig. Swing, Tango, Blues und Musette sind die Grundrhythmen, die die Künstlerin aber immer wieder durchbricht: „ Mir fällt es schwer, die ganze Zeit einen Blues zu machen. Zwischendurch spiele ich dann lieber einen Walzer.“

Ständiger Begleiter bei ihren Konzerten ist das Akkordeon, „Ich habe das Instrument in einem Clownsprojekt entdeck.Der Klang hatte mich gepackt.“ Humor sei ein wichtiges Element in ihrer Arbeit, meint Mechthild Hettich. Deshalb trägt sie auf der Bühne oft rote Gummistiefel:

„Das passt gut zu meiner Musik. Das nimmt den Ernst weg.“

Genauso wichtig sind ihr aber auch die ernsten Momente: „Ich verlange den Zuschauern ab, mit mir die Reise in die Stimmungen zu machen. Das ist wie das ganze Leben. Es gibt Höhen und Tiefen.“